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Zahnspangen 1925 – 1970

Während die Kieferorthopädie in den USA zu früher Blüte getrieben wurde und die Behandlung mit festsitzenden Zahnspangen sich langsam zu verbreiten begann, führte sie in Deutschland eher ein Schattendasein. Angles Lehre und seine festsitzende Zahnspange (edgewise-appliance) wurden durch seine Schüler Körbitz, Grünberg und Oppenheim auch in Deutschland bekannt gemacht. Das Fernröntgens des Schädels wurde 1931 nahezu gleichzeitig durch Hofrath in Deutschland und Broadbent in den USA eingeführt und entwickelte sich in den nachfolgenden Jahren zu einem bedeutenden diagnostischen Mittel.

Bis etwa 1930 dominierten weltweit die festsitzenden Zahnspangen. 1928 entdeckte Oppenheim mit Hilfe von Röntgenaufnahmen durch die festsitzenden Zahnspangen entstandene Schäden an den Zahnwurzeln, die so genannten Wurzelresorptionen. Etwa gleichzeitig wurden auch herausnehmbare Zahnspangen wie die aktive Platte vorgeschlagen (Nord 1929) und von dem Österreicher A.M. Schwarz weiter entwickelt. Den Kieferorthopäden in Deutschland und in einigen europäischen Nachbarländern erschien die herausnehmbare Zahnspange als das mildere, weniger risikoreiche Behandlungsmittel. Vor allem aber waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausnehmbare Zahnspangen kostengünstiger als festsitzende, so dass aktive Platten und später die verschiedenen herausnehmbaren Doppelspangen in Europa für einige Jahrzehnte zum Standard wurden.

Die große Kirchenspaltung: Kieferorthopädie versus Orthodontie

Zur folgenschweren Abspaltung der deutschen Kieferorthopädie von der Entwicklung in den USA führte aber erst die Einführung einer Aktivator genannten, herausnehmbaren Doppelspange durch Andresen im Jahr 1936. In maßloser Überschätzung dieser herausnehmbaren Zahnspange behauptete Andresen, ein völlig neuartiges, „biologisch“ wirksames Behandlungsmittel gefunden zu haben, mit dem sich Schädel- und Gesichtswachstum beeinflussen ließen. Sein angeblich überlegenes Behandlungssystem nannte er „Funktionskieferorthopädie“ und forderte, die rein „mechanische“ Kieferorthopädie mit festsitzenden Zahnspangen „auszurotten“. In Deutschland wurde darauf die eingeführte Fachbezeichnung Orthodontie, die in den meisten Sprachen verwendet wird, durch die neue Bezeichnung Kieferorthopädie ersetzt. In der Folge wurden in Deutschland bis 1970 kieferorthopädische Behandlungen mit festsitzenden Zahnspangen nicht mehr an Universitäten gelehrt. Während kieferorthopädische Behandlungen in den USA ausschließlich mit festsitzenden Zahnspangen durchgeführt wurden, dominierten in Deutschland jahrzehntelang die herausnehmbaren Zahnspangen. Das war wissenschaftlich und klinisch zwar ein Irrweg, hatte aber zumindest den Vorteil, dass die Behandlungen mit den billigen herausnehmbaren Zahnspangen für mehr Menschen erschwinglich wurden, wenn auch nicht die gleichen guten Ergebnisse wie mit festsitzenden Zahnspangen erreicht werden konnten und die Behandlungszeiten sehr lang waren. Zähne ziehen mussten die deutschen Kieferorthopäden zwar auch in diesen Jahren gelegentlich, vermieden dies jedoch so gut es ging, weil die mechanischen Möglichkeiten der herausnehmbaren Zahnspange in den meisten Fällen keinen guten Lückenschluss zulassen, sondern lediglich zu Zahnkippungen führen.

Zähne ziehen – die Wende in den USA

So sehr Angles Schüler auch sein Dogma befolgten, keine Zähne aus kieferorthopädischen Gründen zu ziehen, so sehr mussten sie doch auch beobachten, dass die mühsam verbreiterten und vergrößerten Zahnbögen ihrer Patienten nach der Behandlung nicht stabil blieben, sondern in Richtung des alten Standes zurückfielen. Das nahezu vollständige Rezidiv nach Expansion der Zahnbögen war regelmäßig zu erwarten. Ein Angle-Schüler, C. Tweed (1895-1970), war darüber so frustriert, dass er überlegte, die Kieferorthopädie ganz aufzugeben und lieber wieder Zahnersatz anzufertigen. Er entschied sich jedoch anders und behandelte viele seiner Patienten, die Jahre nach der Behandlung wieder so schiefe Zähne hatten wie zuvor, ein zweites Mal unter Extraktion von vier Prämolaren (kleinen Backenzähnen). Er stellte fest, dass die Ergebnisse nicht nur besser aussahen, sondern auch bessere Stabilität nach der Behandlung zeigten. In gleich Richtung ging H. Nance (1893-1964). Die Artikel von Tweed und Nance zur Extraktion von Zähnen in der Kieferorthopädie aus den späten 40er Jahren des letzten Jahrhunderts schlugen in der Kieferorthopädie der USA mächtig ein und führten zur Aufgabe des Angle-Dogmas, niemals Zähne zu ziehen. Diese brillanten Artikel sind übrigens auch nach über 60 Jahren noch lesenswert und sollten allen Kieferorthopäden empfohlen werden, die heute wieder meinen, ein Dogma der Nichtextraktion von Zähnen kultivieren zu müssen.

Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass in den USA und in der Folge in vielen anderen Teilen der Welt geradezu eine Extraktionsmanie entstand („if in doubt, whip them out“ und „four on the floor“ waren Mottos der US-Kieferorthopädie), weil keine klaren, wissenschaftlich begründeten Kriterien bestanden, wann das Ziehen von Zähnen nützlich sei und wann nicht. Seit 1970 sinken allerdings weltweit wieder die Anteile von kieferorthopädischen Behandlungen mit Ziehen bleibender Zähne. Unter Einbezug der Erkennntnisse über Langzeitstabilität, parodontale Gesundheit und Gesichtsästhetik ist eine Extraktionsrate von 20% der kieferorthopädischen Behandlungen möglicherweise der vernünftigste Mittelweg.

Die Entwicklung in Deutschland

Seit 1970 wurde auch an deutschen Universitäten nach und nach wieder Unterricht mit festsitzenden Zahnspangen erteilt. Der große Bruch mit der US-Kieferorthopädie wurde damit langsam beendet. Wie stark jedoch der Konservatismus einiger deutscher Hochschullehrer ist, zeigt sich in noch nach dem Jahr 2000 veröffentlichten Artikeln zu kieferorthopädischen Behandlungen ausschließlich mit herausnehmbaren Zahnspangen, die grundsätzlich veraltet, den Patienten nicht zumutbar und darüber hinaus auch unwirtschaftlich sind. Noch schlimmer sieht es bei den niedergelassenen Kieferorthopäden in Deutschland aus, denn das deutsche Honorarsystem belohnt langdauernde, wenig effiziente Behandlungen höher als kurze, intensive Behandlungen. Dazu betreibt fast jeder deutsche Kieferorthopädie ein eigenes zahntechnisches Labor, in dem herausnehmbare Zahnspangen hergestellt werden. Die Behandlung mit herausnehmbaren Zahnspangen wird also doppelt bevorzugt honoriert, so dass in Deutschland eine ineffiziente, veraltete Behandlungsweise mit herausnehmbaren Zahnspangen nach wie vor für Kinder und Jugendlichen verbreitet angewendet wird. Dass Kieferorthopäden zahntechnische Labors zur Herstellung herausnehmbarer Zahnspangen betreiben ist in der ganzen Welt unüblich und stellt ein Unikum der deutschen Kieferorthopädie dar. Es ist offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt.

Stand der Wissenschaft ist eindeutig, dass die meisten Behandlungen am einfachsten, effektivsten und am patientenfreundlichsten mit einer einzigen, festsitzenden Zahnspange durchgeführt werden können. In Deutschland besteht also die Situation, dass durch Konservatismus, schlechte Ausbildung und ein unsinniges Honorarsystem nach wie vor sehr viel mit den meist veralteten herausnehmbaren Zahnspangen behandelt wird – zum Nachteil der betroffenen Patienten!

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