Studie aus Tübingen belegt: Herausnehmbare Zahnspangen können nicht ausreichend getragen werden

Die meisten herausnehmbaren Zahnspangen müssten mindestens 12 Stunden am Tag getragen werden, um die gewünschten Zahnbewegungen zu erreichen. Kieferorthopäden verlangen von ihren jungen Patienten in der Regel tägliche Tragezeiten von 14-16 Stunden.

Forscher der Universität Tübingen haben jetzt herausgefunden, dass solche Forderungen völlig unrealistisch sind. In einer Studie mit 281 jungen Patienten und unterschiedlichen herausnehmbaren Zahnspangen wurde ein kleiner Sensor in die Spangen eingebaut, der die Tragezeit misst. Der verwendete Theramon-Sensor kann am Computer ausgelesen werden und gibt die tatsächliche Tragezeit recht genau wieder. Dabei zeigte sich, dass die mittlere tägliche Tragezeit mit nur 9 Stunden weit unter dem geforderten Maß war. Nur 8% der jungen Patienten hielten sich an die Vorgaben der Kieferorthopäden. Außerdem wurde festgestellt, dass die Tragezeit bei vielen jungen Patienten extrem variabel ist. Das bedeutet, dass gelegentlich so wenig getragen wird, dass erreichte Zahnbewegungen wieder verloren gehen können. Unter diesen Voraussetzungen sollte die Verwendung herausnehmbarer Apparate eigentlich erledigt sein.

Die Autoren trauen sich jedoch nicht, aus ihren Ergebnissen klare Aussagen gegen die Verwendung herausnehmbarer Zahnspangen abzuleiten. Nach diesen für die herausnehmbaren Zahnspangen schlechten Ergebnissen ist jedoch klar, dass die meisten dieser Apparate heute nicht mehr ehrlich in der kieferorthopädischen Behandlung verwendet werden können. Das ist kein Wunder, denn die Apparate behindern stark beim Sprechen und sind sozial sehr belastend, so dass sie von den meisten Patienten nur nachts getragen werden. Wenn aber zweifelsfrei geklärt ist, dass heutige Kinder und Jugendliche die Tragezeitanforderungen herausnehmbarer Apparate nicht erfüllen können, dann sollte grundsätzlich festsitzenden Apparaten der Vorzug gegeben werden. Nahezu alle Behandlungsaufgaben lassen sich mit festsitzenden Apparaten zuverlässiger, schneller, komfortabler und wirtschaftlicher lösen.

Doch in Deutschland ist leider das Gegenteil der Fall. Wahrscheinlich wird auch heute noch die Hälfte der Behandlungszeit bei jungen Patienten mit den veralteten herausnehmbaren Zahnspangen bestritten. Der Grund ist neben Mängeln in der Ausbildung, dass Kieferorthopäden in Deutschland mit herausnehmbaren Apparaten pro Behandlungsstunde etwa den doppelten Gewinn erwirtschaften wie mit festsitzenden Apparaten. Dies ist ein folgenschwerer Fehler der deutschen Gebührenordnung, der deutschen Kindern jedes Jahr Millionen unsinniger herausnehmbarer Zahnspangen beschert.

Statt auf Abhilfe durch den Gesetzgeber zu warten, können Patienten und Eltern aber selbst einiges erreichen: einfach auf der Verwendung von festsitzenden Apparaten bestehen, herausnehmbare Zahnspangen dagegen nur bei klarer Beweisführung über ihren Nutzen akzeptieren!

Quelle:
Schott TC, Ludwig B. Microelectronic wear-time documentation of removable orthodontic devices detects heterogeneous wear behavior and individualizes treatment planning. Am J Orthod Dentofacial Orthop. 2014 Aug;146(2):155-60. doi: 10.1016/j.ajodo.2014.04.020. PubMed PMID: 25085297

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