Herausnehmbare Zahnspangen: veraltet, überflüssig

Herausnehmbare oder festsitzende Zahnspangen sind überhaupt keine echte Alternative, denn die Apparate haben eine sehr unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Mit herkömmlichen abnehmbaren Apparaten können viele Zahnbewegungen gar nicht durchgeführt werden. Dazu gehören die Rotation von Zähnen außer den Schneidezähnen und vertikale Bewegungen von Zähnen.

Durch ihre beschränkte Wirksamkeit sind mit herausnehmbaren kieferorthopädischen Zahnspangen auch nur kippende Zahnbewegungen möglich, während sehr häufig eine körperliche Bewegung der Zähne mit Aufrichtung der Zahnwurzeln notwendig ist.

Ineffizient, trotzdem viel verwendet: die aktive Platte

Der häufigste Typ von herausnehmbaren Zahnspangen bei der Behandlung Heranwachsender ist die aktive Platte. Sie besteht aus einem Plastikkörper und Halteklammern aus Draht. Dazu kommen als aktive Elemente verschiedene Schrauben und Federn, mit denen die Zähne bewegt werden sollen. Die aktive Platte ist mechanisch kaum tauglich für gezielte kieferorthopädische Behandlungen. Getragen werden müsste sie etwa 16 Stunden am Tag, um ihre bescheidene Wirkung zu erzielen – und das klappt bei den meisten Patienten nie und nimmer. In der Regel wird die hochgradig lästige aktive Platte nur nachts getragen, und damit ist kein Behandlungsfortschritt zu erwarten. Aus diesen Gründen sollte die aktive Platte heute gar nicht mehr verwendet werden.

Oberkiefer-Platte mit geschlossener Einstellung per Schraube
Oberkiefer: herausnehmbare Zahnspange mit Stellschraube

Aus der Steinzeit der Kieferorthopädie: aktive Platten, hier als Dehnplatten mit einer Mittenschraube

In seltenen Fällen sinnvoll: Aktivator, Bionator

Der zweite Typ herausnehmbarer Zahnspangen sind die Doppelspangen, auch funktionskieferorthopädische Geräte genannt, nach Art des Aktivators, Bionators, Orangeators usw. So lustig diese auch heißen mögen, haben sie doch alle das selbe Wirkprinzip. Sie dienen der Bisskorrektur bei einem Rückbiss oder Vorbiss des Unterkiefers. Dafür sind sie in gut ausgesuchten Einzelfällen auch geeignet. Leider scheitern Behandlungen mit den Aktivator-artigen Doppelspangen jedoch häufig daran, dass die Patienten die geforderte Tragezeit und von 12-16 Stunden am Tag nicht einhalten können, denn durch ihr großes Volumen verursachen die Doppelspangen eine starke Sprachbehinderung. Aus diesem Grund mißlingen solche Behandlungen häufig, so dass eine Bissverschiebung mit fester Spange und kleinen Elastiks realistischer ist.

veraltete Zahnspangen
Kleine Galerie des Schreckens mit verschiedenen Aktiavtoren: man kann es den Kindern nicht verdenken, dass sie solche Apparate nicht gerne tragen!

 

Unnötig lange Behandlungsdauer

Die Behandlungen mit herkömmlichen abnehmbaren Zahnspangen dauern in der Regel ein Vielfaches der Behandlungsdauer mit festen Zahnspangen, was die jungen Patienten stark belastet. Doch selbst bei guter Mitarbeit über viele Jahre können mit herausnehmbaren Zahnspangen oft nur unbefriedigende Ergebnisse erreicht werden, die für die jungen Patienten und ihre Eltern nicht akzeptabel sind. Deshalb werden sie in der Regel von einer anschließend eingesetzten festsitzenden Zahnspange ergänzt.

Diese  –  in Deutschland übliche – Abfolge ist jedoch in den meisten Fällen unsinnig, weil die festsitzenden Zahnspangen Universalgeräte sind, mit denen alle Behandlungen ganz ohne herausnehmbare Vorbehandlung allein durchgeführt werden können.

 

Hohe Belastungen, viele Misserfolge

Ein weiterer Nachteil abnehmbarer Zahnspangen ist die starke Sprachbehinderung. Schon aus diesem Grund können herausnehmbare Zahnspangen in der Regel gar nicht ausreichend getragen werden. In wissenschaftlichen Studien ist nachgewiesen worden, dass herkömmliche herausnehmbare Zahnspangen von den jungen Patienten nicht mehr als 10 Stunden am Tag getragen werden, während in der Regel 16 Stunden notwendig wären.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass zwischen 30-50% der Behandlungen mit herausnehmbaren Zahnspangen mit Abbruch oder Misserfolg enden, und das oft nach jahrelanger, frustrierender Behandlung. Teuer und unwirtschaftlich sind die herausnehmbaren Zahnspangen vor diesem Hintergrund natürlich auch!

In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Behandlungen mit festsitzenden Zahnspangen kürzer dauern, bessere Ergebnisse bringen und auch noch weniger kosten. Eigentlich kann das niemand wollen: höhere Belastung, längere Behandlungszeit, schlechtere Ergebnisse, höhere Kosten – vor diesem Hintergrund ist es schon fast ein Rätsel, warum herausnehmbare Spangen überhaupt noch in großem Umfang verwendet werden!

Man könnte die Behandlungen schließlich auch gleich mit einer einzigen festsitzenden Zahnspange durchführen… aber das scheinen deutsche Kieferorthopäden nicht sonderlich zu schätzen!

 

Schlechte Ausbildung und Profitstreben

Des Rätsels Lösung ist einerseits die in Deutschland teilweise schlechte Ausbildung der Kieferorthopäden, die sich oft noch an alten Vorstellungen aus den dreißiger bis sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts orientiert. Damals glaubte man, dass abnehmbare Zahnspangen besonders geeignet wären, das Wachstum der Kiefer zu steuern.

Sowohl die Breitenentwicklung der Kiefer als auch die Korrektur der Bisslage sollten eine besondere Stärke der herausnehmbaren Apparate sein – diese alten Auffassungen sind jedoch wissenschaftlich längst widerlegt. Das Kieferwachstum ist genetisch vorbestimmt und steht nicht unter der Herrschaft banaler Plastikspangen.

Während sich dieses Problem mit dem Abtreten älterer Hochschullehrer langsam löst, bleibt andererseits die unsinnige deutsche Gebührenordnung, die ausgedehnte Behandlungen mit herausnehmbaren Zahnspangen wesentlich profitabler macht als die kurzen, intensiven Behandlungen mit festen Zahnspangen.

Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen (SVR) monierte schon 2001, dass deutsche Kieferorthopäden stark auf herausnehmbare Spangen setzen würden, obwohl festsitzende Zahnspangen leistungsfähiger wären. Als Grund sah der SVR, dass die Gewinnspanne mit herausnehmbaren Spangen höher sei, und empfahl, die Honorierung der Kieferorthopäden zugunsten der festsitzenden Apparate umzuschichten.

Passiert ist in diese Richtung bis heute leider gar nichts! Es ist klar, dass hier eine Fehlsteuerung von begrenzten Mitteln des Gesundheitswesens betrieben wird – zu Lasten der Beitragszahler und der jungen Patienten. Deutsche Spangenkinder werden wegen der veralteten herausnehmbaren Apparate doppelt so lang behandelt wie Kinder in anderen europäischen Ländern, was mit erheblichen Mehrkosten, aber keineswegs mit besseren Ergebnissen verbunden ist.

Für die deutschen Kieferorthopäden sind die ohne viel Mühe und Wissen einsetzbaren herausnehmbaren Zahnspangen dagegen der Goldsesel. Mit nichts anderem in der gesamten Zahnmedizin lässt sich in kurzer Zeit so viel Geld verdienen wie mit dem Einsatz herausnehmbarer kieferorthopädischer Apparaturen.

Das Einsetzen herausnehmbarer Zahnspangen kommt dem uralten Menschheitstraum eines arbeitsfreien Einkommens einfach zu nahe, so dass die meisten deutschen Kieferorthopäden dieser Verführung erliegen. So überdauert ein rückständiges Behandlungskonzept die Jahrzehnte… zum Schaden der jungen Patienten! Da eine der häufigsten herausnehmbaren Zahnspangen die aktive Platte ist, werden deutsche Kieferorthopäden international gerne als „Plattenleger“ belächelt.

 

Festsitzende Zahnspange ist der Goldstandard

Aus den genannten Gründen ist die Behandlung mit festsitzenden Zahnspangen heute weltweit Standard. In unserer kieferorthopädischen Praxis in Mannheim arbeiten wir deshalb überwiegend mit festsitzenden Apparaten. Festsitzende Zahnspangen führen zu kurzen Behandlungszeiten, konstant guten Ergebnissen und geringen Belastungen für die Patienten.

Die Behandlungen sind für die Patienten außerdem deutlich komfortabler, da die festsitzenden Zahnspangen nicht beim Sprechen behindern und mit ihnen normale Nahrungsaufnahme möglich ist. Und letzten Endes sind die festsitzenden Apparate auch wirtschaftlicher, weil sie regelmäßig und in kurzer Zeit zum Erfolg führen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass in den meisten entwickelten Ländern herausnehmbare Zahnspangen kaum noch verwendet werden. Nur in Deutschland betreibt jeder Kieferorthopäde ein eigenes Labor mit angestelltem Zahntechniker zur Herstellung herausnehmbarer Apparaturen, während dies in anderen Ländern völlig unbekannt ist. Allein dieser Umstand legt schon nahe, dass die deutsche Kieferorthopädie etwas verhaltensauffällig ist – die starke Neigung zu den veralteten herausnehmbaren Apparaten lässt sich tatsächlich nur mit handfesten wirtschaftlichen Interessen der Kieferorthopäden erklären!

In unserer kieferorthopädischen Praxis in Mannheim gibt es deshalb auch kein Labor, in dem herausnehmbare Zahnspangen hergestellt werden – die wenigen herausnehmbaren Zahnspangen lassen wir in einem externen Fachlabor in Mannheim fertigen. So können wir unabhängig von finanziellen Interessen die beste Therapie für unsere Patienten wählen!

Moderne festsitzende Zahnspange: schlank und effizient
Festsitzende Zahnspange: schlank und hygienisch, Maximum an Effizienz!

Zwei Ausnahmen

Für diese Grundsätze gibt es zwei Ausnahmen: Die erste ist bei Heranwachsenden mit Rücklage des Unterkiefers und großem Überbiss der Schneidezähne eine einzige – aber wirklich nur eine – herausnehmbare Doppelspange, eine so genannte funktionskieferorthopädische Zahnspange, unter Umständen gerechtfertigt. Das kann dann ein Aktivator, Bionator oder Orangeator sein – wichtig ist vor allem, diese Geräte nur in geeigneten Fällen und nicht länger als etwa ein Jahr einzusetzen. Alles andere strapaziert die jungen Patienten zu sehr und bringt zu wenig Nutzen.

Unsinnig ist dagegen eine längere Abfolge von mehreren herausnehmbaren Zahnspangen – das ist die dümmste und ineffizienteste Behandlungsstrategie überhaupt.

Herausnehmbare Zahnspangen: Ineffizient, trotzdem viel verwendet: die aktive Platte
Alles so schön bunt hier: herausnehmbare Zahnspangen sehen lustig aus, sind aber nicht kindgerecht

Die zweite Ausnahme sind die Aligner, wie z.B. Invisalign, das wir in unserer Praxis seit 2001 nutzen. Aligner sind herausnehmbare, transparente Schienen, die rund um die Uhr außer zum Essen, Trinken und Zähneputzen getragen werden. Im Unterschied zu den althergebrachten Kinderspangen können Aligner problemlos den ganzen Tag getragen werden, weil sie die Aussprache nicht behindern und wenig sichtbar sind. Die Beeinträchtigung des täglichen Lebens ist daher bei Alignern recht gering, die Zufriedenheit der Patienten meistens hoch. Mit diesen Schienen können daher kieferorthopädische Behandlungen bei Jugendlichen und sogar bei Erwachsenen erfolgreich durchgeführt werden.

Invisalign-Schiene
Transparente Aligner: nur 0,7mm starke, elastische Plastikschienen, die auch von Erwachsenen den ganzen Tag getragen werden können (hier: Invisalign)

Aligner sind bei Kindern im Wechselgebiss allerdings nur bedingt geeignet. Die Aligner sind wesentlich effizienter als herkömmliche herausnehmbare Zahnspangen, haben aber wie diese auch ihre Grenzen. Für viele komplexe Behandlungsaufgaben sind Aligner nicht sonderlich gut geeignet, so dass in diesen Fällen festsitzende Zahnspangen die erste Wahl sind.

Herausnehmbare Aligner können in der gesetzlichen Krankenversicherung leider bis heute gar nicht abgerechnet werden. Aus diesem Grund stehen Aligner nur für privat Versicherte und Selbstzahler zur Wahl. Unsere Kieferorthopäden beraten Sie gerne über diese moderne Behandlungsoption.

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